Mut zur Hässlichkeit: Warum du unbedingt ein hässliches Bild malen solltest

Ich kann mir vorstellen, dass es dir auf den ersten Blick etwas komisch vorkommt, wenn du ein hässliches Bild malen sollst. Vielleicht bist du selbst auch dein stärkster Kritiker und denkst, dass deine Bilder sowieso alle hässlich sind. Egal, gib der Idee eine Chance und lies erstmal.

Die Absicht oder Erlaubnis, ein hässliches Bild zu malen, macht frei

Meistens läuft es genau umgekehrt und wir sind bestrebt, etwas Schönes zu malen, das gegenüber uns selbst und anderen Lob und Anerkennung findet. Wir wollen zeigen, was wir können, und verstecken, was wir nicht können. Uns von unserer besten Seite zeigen, gemocht werden und auf unsere Leistungen stolz sein. Freies, intuitives Malen, bei dem wir uns ungefiltert ausdrücken können, ist so aber kaum möglich.

Auch das scheinbar Hässliche, das wir oft unterdrücken, mit dem wir uns nicht gerne auseinander setzen wollen und das wir nicht gerne nach außen zeigen, darf zum Ausdruck kommen. Wir alle haben Ängste und Emotionen wie Wut oder Trauer. Uns begegnen Dinge, die uns abstoßen und erschrecken. Warum sollten wir all das nicht auch in unseren Bildern be- und verarbeiten dürfen?

Gerade dann fehlen uns manchmal die Worte, sie bleiben uns förmlich im Halse stecken, und es kann sehr befreiend und entlastend sein, die ganze Hässlichkeit  bzw. unsere Wahrnehmung davon durch das Malen auszudrücken.

Wenn du bewusst sämtliche Regeln brichst und ein hässliches Bild malst, oder dir zumindest erlaubst, dass es hässlich werden darf, ist das wie eine kleine Mutprobe, die deine Grenzen erweitert und dir kreative Freiheit schenkt. Alles kann, nichts muss beim intuitiven Malen. Malen und Kreativität brauchen Mut, aber es lohnt sich, denn deine Lebenswelt wird groß und weit statt klein und einengend.

Wie malt man ein hässliches Bild?

Vorschlag 1:

Mach einfach alles wie immer. Nee, Scherz, aber achte mal darauf, was so eine spitze Bemerkung bei dir auslöst. Empörung? Ärger? Traurigkeit? Was ganz anderes? Tangiert dich peripher oder anders ausgedrückt es geht dir am Arsch vorbei? Bestenfalls eher letzteres. Aber zurück zum Thema wie du an die Sache mit dem hässlichen Bild malen herangehen könntest:

Schnapp dir deine Malsachen und fang einfach an, am besten anders als „man das so macht“. Höre mehr auf dein Gefühl und weniger auf deinen Kopf. Dein Bild wird zu dunkel? Prima, jetzt erst recht mehr Schwarz. Die eine Stelle da sieht ganz schön eklig und abschreckend aus und normalerweise würdest du sie übermalen? Setze sie in Szene. Die Horizontlinie muss auf eine bestimmte Höhe von wegen Goldener Schnitt und so? Nö, du platzierst sie jetzt erst recht woanders. Du hast gelernt, nicht zu viele Farben auf einmal zu vermischen, weil da dreckige Matschtöne entstehen? Dann tobe dich nach Herzenslust mit allen dir zur Verfügung stehenden Farben aus und schau einfach mal, was passiert. Das wird jetzt aber zu unruhig und chaotisch, sagt dein Kopf? Antworte mit wildem Gekritzel. Ich denke, du weißt, was ich meine. So ist auch der “gefallene Engel” unten im Bild entstanden.

Vorschlag 2:

Such dir ein Motiv aus, das du hässlich findest und kotze dich auf dem Papier dann so richtig darüber aus. Lege all deine Abscheu in deine Striche. Spüre in dich rein, welche Gefühle der Anblick bei dir auslöst und versuche, genau das beim Malen auszudrücken. Das geht durch eine für dich stimmige Strichführung oder auch die Auswahl passender Farben und Materialien. Dann bist du den Müll erstmal los und entwickelst mit der Zeit deine eigene Bildsprache. Deine Ausdrucksmöglichkeit genauso wie dein Wortschatz werden dabei immer größer und größer.

Das klingt alles ganz toll und stimmt sogar, aber stell dich darauf ein und lass dich nicht davon aufhalten, dass du den Heiligen Gral des intuitiven Malens wahrscheinlich nicht gleich beim ersten Versuch erreichst. Bleib dran, hab Spaß beim Tun, sei offen, neugierig und achtsam auf dem Weg, der Rest kommt dann mit der Zeit von ganz allein. 

Du kannst kein hässliches Bild malen und dein Bild ist zu schön geworden

Meiner Erfahrung nach, ist es gar nicht so einfach, absichtlich ein hässliches Bild zu malen. Hässlichkeit ist sowieso total subjektiv und was der eine hässlich findet, gefällt dem anderen. Meist finden wir ein selbst gemaltes Bild besonders dann hässlich, wenn es unsere Erwartungen enttäuscht hat, unsere Wünsche nicht erfüllt wurden oder wir unserem Leistungsanspruch nicht genügen.

Sobald wir uns nicht nur die Erlaubnis geben, dass unser Bild nicht schön sein muss, sondern es sogar bewusst hässlich malen wollen, gibt es keine Erwartungen, kein Versagen, keine Fehler. Das bedeutet auch weniger Enttäuschungen und negative Gedanken und wir nehmen es einfach wahr wie es ist. Das Bild ist vielleicht sogar gerade dann am Ende besonders ausdrucksstark, so dass du es gar nicht als hässlich empfindest, im Gegensatz zu einem Bild, das schön werden sollte und dir nicht so gelungen ist, wie du es dir gewünscht hast. Da wir leider viel zu oft die Aufmerksamkeit auf Fehler und negative Dinge richten, kann es sein, dass du jetzt, wo die Aufgabe male ein hässliches Bild lautet, plötzlich fehlerhafte positive Dinge entdeckst. Aus nicht schön genug wird plötzlich nicht hässlich genug.

Schon irgendwie bekloppt, oder? Aber das zeigt auch, wie stark unsere Gefühle und Gedanken von unserer Wahrnehmung und Bewertung abhängen. Die gute Nachricht: Sind wir uns dessen bewusst, können wir das Ganze im nächsten Schritt positiv beeinflussen, indem wir unsere Wahrnehmung und Bewertung hinterfragen und konstruktiv verändern. Zum Glück sind wir ja lernfähig, auch wenn das (besonders bei unseren Mitmenschen) oft nicht so aussieht.

Ich bin gespannt, welche Erfahrung du mit deinen „hässlichen“ Bildern machst. Wenn du Fragen hast oder mir von deinen Erfahrungen berichten möchtest, kontaktiere mich einfach auf einem der üblichen Wege.

Viele Grüße aus der Mutmalerei!

Katrin

Schreibe einen Kommentar