Selektive Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Schubladendenken

Um die Informationsflut, die ständig auf uns einströmt, zu bewältigen, versucht unser Gehirn, Muster und Regelmäßigkeiten zu erkennen und die Reize entsprechend zu kategorisieren. Durch selektive Wahrnehmung/Aufmerksamkeit können wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, effizient arbeiten, schnell entscheiden und die Reizüberflutung überleben. Allerdings nehmen wir dadurch viele bedeutsame Dinge gar nicht erst wahr und bestätigen einfach immer weiter unsere schon bestehenden Meinungen und Ansichten. Wir sehen, was wir sehen wollen und übersehen, was unseren Vorurteilen widerspricht.

Die selektive Wahrnehmung/Aufmerksamkeit lässt sich nicht völlig ausschalten, aber allein das Wissen um deren Existenz kann sehr hilfreich sein und für etwas mehr Offenheit und Weitblick sorgen.

Es gibt nicht die eine einzig richtige Wahrheit, nicht die eine Realität. Jeder nimmt die Dinge in der Welt ganz subjektiv wahr und jede Wahrnehmung hat ihre Daseinsberechtigung. Schon die Akzeptanz dessen verhilft manchmal zu mehr Milde und Gelassenheit im Umgang mit anderen Meinungen und vermeidet Streit oder aggressive, emotional aufgeladene Auseinandersetzungen.

Welche Faktoren beeinflussen unsere Wahrnehmung und worauf wir unsere Aufmerksmkeit lenken?

Unsere Gefühle, Gedanken & Ziele

Wie wir uns fühlen und wie wir denken hat einen großen Einfluss darauf, worauf sich verstärkt unsere Aufmerksamkeit richtet und wie wir die Dinge wahrnehmen. Wenn es uns gut geht, können wir über kleine Störfaktoren locker hinwegsehen und bewerten diese als nicht so tragisch. Wenn es uns aber schlecht geht, wir z. B. krank sind oder uns in einer emotionalen Krise befinden, können uns schon Kleinigkeiten richtig runterziehen. Denn Dinge, die kongruent zu unseren Gefühlen und Meinungen sind, die unsere bestehenden Ansichten bestätigen, werden besonders stark wahrgenommen.

Wenn du beispielsweise mit großem Hunger durch die Stadt gehst, wird deine Aufmerksamkeit vor allem von den Gerüchen, die aus der Bäckerei oder dem Restaurantfenstern strömen, den Essensbildern auf Plakaten oder den mampfenden Passanten angezogen.

Vielleicht hast du ein eher niedriges Selbstwertgefühl, fühlst dich allein und wenig liebenswert. Begegnet dir dann der Nachbar auf der Straße und geht grußlos an dir vorüber, interpretierst du das wahrscheinlich in dieser Stimmung so, dass es zu deinen Gefühlen und Gedanken passt. „Der kann mich nicht leiden, niemand mag mich, ich bin ein schlechter Mensch, vielleicht habe ich etwas falsch gemacht, der Typ war mir schon immer unsympathisch.“ Bist du selbstbewusst und gut gelaunt, interpretierst du das Verhalten deines Nachbarn ganz anders. „Er hat mich bestimmt nicht gesehen, ist wohl im Stress oder er hat einen schlechten Tag und ist mit seinen Gedanken ganz woanders.“

Oder stell dir vor, du bist im Flughafenterminal unterwegs und musst dringend aufs Klo. Dann wirst du vor allem Ausschau halten nach WC-Hinweisschildern und der Rest der Umgebung tritt in den Hintergrund.

Denk mal an den letzten Autokauf. Wenn du dich im Vorfeld einer Kaufentscheidung mit einem bestimmten Fahrzeugmodell intensiver beschäftigt hast, scheinen die Straßen plötzlich voll davon zu sein, obwohl jetzt nicht schlagartig mehr davon unterwegs sind als sonst. Dein Gehirn sorgt einfach dafür, dass du dieses Auto verstärkt wahrnimmst, weil diese Information gerade als relevant erachtet wird.

Unsere Erwartungen

Wenn wir ein Restaurant betreten, von dem Freunde uns Negatives berichtet haben und dessen Bewertungen im Netz sehr schlecht sind, gehen wir bereits mit der entsprechenden Erwartungshaltung in das Lokal. Unsere Aufmerksamkeit ist dann geschärft für alle Dinge, die diese Erwartung bestätigen und Kleinigkeiten, die uns normalerweise gar nicht aufgefallen wären wie ein staubiger Bilderrahmen oder der Fettfleck auf der Tischdecke springen uns förmlich ins Auge.

Unsere Sozialisation, Erziehung 

Unsere Sozialisation und Erziehung beeinflussen stark unser Denken, unsere Werte, Glaubenssätze, Ideologien, usw. und damit auch unsere Wahrnehmung. Wenn du von deinen Eltern gelernt hast, dass Hunde sehr gefährliche Tiere sind oder du bereits schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht hast, wirst du einen entgegen kommenden, freilaufenden Hund ganz anders wahrnehmen als ohne diese Vorgeschichte.

Kontext

Auch die Situation und die Umgebungsbedingungen wirken sich auf unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit aus. Wenn du alleine unter der Dusche singst ist das etwas völlig anderes als vor Publikum auf einer Bühne.

Wie kannst du das Wissen über selektive Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für dich nutzen?

Du sammelst unbewusst ständig Beweise für deine Grundannahmen. Deshalb ist es so bedeutsam, wie du über dich und die Welt denkst und womit du dich vermehrt beschäftigst. Wenn du häufig Nachrichten schaust, wo in der Regel bevorzugt über Kriege, Krisen, Probleme und Dramen berichtet wird, könnte der Eindruck entstehen, die ganze Welt ist schlecht. Dieses Beispiel kannst du ja selbst mal mit deiner jetzigen Kenntnis über selektive Wahrnehmung/Aufmerksamkeit weiter spinnen…

Du kreierst dir deine Welt ein großes Stück weit selbst und es sind weniger die Dinge an sich entscheidend für dein Lebensglück, sondern wie du über die Dinge denkst. Deine Gedanken manifestieren sich und werden so zu deiner Wahrheit und Realität. Du denkst grundsätzlich positiv und gehst erst mal vom Guten aus? Dann wirst du vermehrt positive Dinge wahrnehmen, die wiederum deine optimistische Grundeinstellung bestätigen und weiter festigen, die Spirale geht aufwärts. Entsprechend besteht natürlich auch die Gefahr der Abwärtsspirale.

Wenn du deine persönlichen Wahrnehmungsfilter und rosaroten Brillen kennst, kannst du mehr aktiven Einfluss auf deine Wahrnehmung nehmen und damit auch auf deine Bewertungen, Einschätzungen, Gefühle und Gedanken. Schon allein durch das Bewusstsein darüber, dass es das Phänomen der selektiven Wahrnehmung gibt, bist du in der Lage, Dinge neutraler und offener zu sehen, weniger kritisch zu bewerten, zu relativieren. Du bist aufgeschlossener anderen Sichtweisen gegenüber, bist empathischer, kannst leichter andere Perspektiven einnehmen und regst dich nicht über jeden Scheiß auf.

Deshalb: Fokussiere dich auf das Schöne und das Gute auf der Welt und in deinem Leben, auf die glücklichen und zufriedenen Momente, auf Lösungen und auf all das, was funktioniert hat!

Das fällt anfangs vielleicht nicht leicht, aber du kannst es dir nach und nach angewöhnen, den positiven Dingen bewusst mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Fang doch damit an, jeden Tag vor dem Einschlafen zu überlegen, was an dem Tag gut war oder worüber du dich gefreut hast. Und wenn es erst mal nur eine einzige Sache ist. Wenn dir mehrere Sachen einfallen, umso besser. Das wird dir mit der Zeit immer leichter fallen. Dann wirst du nicht mehr da liegen und fieberhaft nach irgendwas suchen müssen, es fällt dir dann ganz automatisch mehr ein und auf. Schreib es auf, rede darüber, gib den guten Sachen Raum.

Das Ganze funktioniert natürlich auch in Bezug auf deine Kunst. Wenn du diese gerne mehr wertschätzen möchtest, dir bisher aber vor allem die Fehler und Unzulänglichkeiten aus deinen Bildern entgegenspringen, klicke hier auf den Textlink und lies mal in den Artikel zum Thema “Dankbarkeit für und mit deiner Kunst praktizieren” rein.

Viele Grüße und nur Mut!

Katrin

Schreibe einen Kommentar