Gar nicht so einfach, etwas loszulassen, selbst wenn es uns belastet und wir ganz tief drinnen wissen, dass es nötig und wichtig ist, um Kopf und Hände wieder frei zu haben, oder? Im Laufe des Lebens sammelt sich da so einiges an Ballast an.
Es ist dabei wie mit einem Heißluftballon. Solange er vom Gewicht der Sandsäcke am Boden gehalten wird, kann er nicht abheben und fliegen. Jeder Sandsack steht für Ballast, den wir mit uns herumtragen, der uns beschwert, der uns festhält und an der Bewegung und damit an der Weiterentwicklung hindert. Es gibt große, schwere Sandsäcke wie toxische Beziehungen, schlechte Angewohnheiten oder ein unbefriedigender Job und kleine, leichtere Sandsäcke wie unnütze oder überflüssig gewordene Dinge und materielle Altlasten. Dass selbst die kleinen Sandsäcke manchmal gar nicht so leicht abzuwerfen bzw. loszulassen sind, habe ich heute Morgen erst wieder gemerkt. Ich erzähle dir die Geschichte ganz kurz, weil sie mir den Impuls für diesen Beitrag zum Thema Loslassen gegeben hat:
Die große, bemalte Leinwand stand schon länger herum. Beim Malen vor einigen Monaten hatte ich großen Spaß und um diese Freude am kreativen Prozess ging es mir auch, nicht um das Ergebnis. Mir war von Anfang an klar, dass das entstandene Bild keinen Platz an meiner Wand finden würde und die Bearbeitung oder Kommunikation mit dem Bild war längst abgeschlossen. Trotzdem scheute ich mich bisher davor, es einfach wieder zu übermalen, um die Leinwand für ein neues Bild nutzen zu können.
Heute Morgen habe ich mir die Zeit genommen, um mal intensiver darüber nachzudenken, warum das so ist. Als mir das bewusst und klar war, konnte ich mir endlich mit einem guten Gefühl Pinsel und weißes Gesso schnappen und das alte Bild damit übermalen. Der erste Pinselstrich fiel am schwersten, so ist es wohl meistens mit dem ersten Schritt, dann wurde es immer leichter und fühlte sich schließlich leicht und befreit an. Ich hatte den Eindruck, dass die im Bild gebundene Energie dadurch freigesetzt und für mich wieder nutzbar wurde, auch wenn das für manche komisch klingen mag.
Vielleicht kennst du einen ähnlichen Energieschub und das positive Gefühl, wenn du endlich mal wieder deinen Kleiderschrank oder einen ganzen Raum erfolgreich ausgemistet und aufgeräumt hast. Das Ganze darf jetzt jedenfalls trocknen und ich freue mich schon darauf, den entstandenen Spiel- und Freiraum zu nutzen, um etwas Neues daraus entstehen zu lassen.
Warum uns loslassen so schwer fällt
Loslassen bedeutet Veränderung und die mögen wir Gewohnheitstierchen gar nicht. In der gewohnten Komfortzone fühlt es sich sicher und bequem an, das geben wir nicht gerne auf. Ich denke hier z. B. an einen gut bezahlten und sicheren Arbeitsplatz, der uns aber nicht glücklich macht und nicht unseren Wünschen und Werten entspricht. Sollen wir lieber bleiben, es durchziehen und aushalten oder mutig loslassen und eine Veränderung wagen, obwohl der Ausgang ungewiss ist? In meinem Blogartikel zur Macht der Gewohnheit kannst du tiefer ins Thema einsteigen.
Loslassen von Zielen fühlt sich manchmal nach Aufgeben, Scheitern, Versagen oder Disziplinlosigkeit an und so wird es uns vom Umfeld auch oft vermittelt, wenn wir einen eingeschlagenen Weg verlassen wollen. Du weißt schon, wer A sagt, muss auch B sagen und so’n Quatsch. Dabei ist es umgekehrt und du schadest dir nur, wenn du dich immer weiter verrennst, obwohl du längst spürst, dass die Richtung nicht mehr stimmt. Das zu erkennen und entsprechend zu handeln ist kein Aufgeben, sondern beweist Mut und Stärke.
Loslassen hat auch mit unserem Selbstwertgefühl zu tun. Wenn dein Selbstwertkonto sich zu oft im Dispo befindet, denkst du vielleicht, du verdienst es nicht besser, darfst nicht zu große Ansprüche stellen, das Leben ist kein Wunschkonzert, das klappt sowieso nicht. Andere haben es auch schwer und genau die wollen nicht gerne alleine im Boot sitzen und so lässt du dich von denen belabern, bleibst im Boot, weil auffallen und anders sein und womöglich Ablehnung erfahren möchtest du schließlich auch nicht.
Kränkungen, Verletzungen und negative Erlebnisse beschäftigen uns oft sehr lange. Ärger, Wut, Trauer oder auch Schuldgefühle stellen sich immer wieder ein, wenn wir diesen Sandsack nicht kappen, indem wir einen Schlussstrich ziehen und unsere Gegenwart nicht mehr von der Vergangenheit vergiften lassen. Mit sowas wie „das verzeihe ich dir nie“ und Verhaltensweisen, um denjenigen zu strafen, der uns verletzt hat, schaden wir vor allem uns selbst. Ich stelle mir das wie ein Wasserglas mit ein bisschen Dreck vor. Solange wir ständig darin herum rühren und den Dreck aufwirbeln, ist das Wasser trüb. Für Klarheit hilft hier auch Loslassen. Lass das Glas einfach in Ruhe stehen oder kippe den Inhalt gleich ganz aus und fülle es mit frischem Wasser.
Loslassen von materiellen Dingen, an denen viele emotionale Erinnerungen hängen oder die man vielleicht irgendwann noch gebrauchen kann, fällt vielen Menschen schwer. Da hängt dann ein Kleid jahrelang ungetragen in einem übervollen Kleiderschrank, weil es uns nicht passt oder nicht mehr gefällt. Unsere Ausreden dafür? Es war sehr teuer oder vielleicht passe ich irgendwann mal wieder rein. Also hängt es da weiter vor sich hin, nimmt Platz weg und macht uns ein schlechtes Gefühl, weil es uns immer wieder daran erinnert, dass wir zu dick dafür sind oder so viel Geld dafür aus dem Fenster geworfen haben und es jetzt nicht mal anziehen.
Angst vor der Ungewissheit oder dem Alleinsein trägt dazu bei, dass wir unglückliche und belastende Beziehungen, egal ob partnerschaftlicher oder freundschaftlicher Natur, oftmals lange nicht loslassen und beenden. Die Hoffnung (meistens darauf, dass der andere sich ändert) stirbt zuletzt, gegenseitige Schuldzuweisungen rauben allen Beteiligten Energie und kostbare Lebenszeit.
Nichts ist immer und ausschließlich schlecht, beim Loslassen verlieren wir also nicht nur die negativen, unerwünschten Aspekte, sondern auch die positiven. Deshalb pass auf, dass der Nostalgie-Effekt nicht zuschlägt und du kurz bevor der Moment des Loslassens gekommen ist plötzlich nur noch die guten Sachen siehst und dir einredest, dass es doch eigentlich gar nicht so schlimm war und du doch besser alles beim Alten lässt!
Bei einer Überidentifikation mit dem Beruf und bestimmten Gegenständen fällt das Loslassen besonders schwer, weil wir das Gefühl bekommen, damit uns ein Stück weit selbst zu verlieren. So verzweifeln viele, die völlig in ihrer Arbeit oder der Elternrolle aufgehen, wenn die Rente naht oder die Kinder aus dem Haus gehen, wenn sie sich die ganze Zeit kaum oder gar nicht um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse gekümmert haben.
Ja, loslassen ist oft nicht einfach, aber nicht loslassen und immer weiter aushalten auch nicht. Nicht loslassen macht unglücklich, krank und belastet uns. Wenn wir an negativen Beziehungen, Situationen und Gefühlen festhalten, erleben wir sie immer und immer wieder. Wir entwickeln uns nicht weiter, schöpfen unser Potential nicht aus, verharren in der Opferrolle, sind ständig am Grübeln und Hadern, warum die Dinge sind wie sie sind.
Loslassen lernen – 10 Tipps, wie es dir leichter fällt
1. Loslassen ist eine aktive Entscheidung und reine Kopfsache. Deshalb mache dir bewusst, dass du kein Opfer bist, sondern selbst Einfluss nehmen kannst, wie sich die Dinge entwickeln.
2. Verstehe und gewinne Klarheit darüber, was dich wider besseren Wissens an etwas festhalten lässt. Solange du diese Gefühle nicht aufgedeckt und angenommen hast, kannst du sie auch nicht loslassen.
3. Gefühle entstehen als Folge von Gedanken, die wiederum dein Handeln beeinflussen, mit dem du letztendlich dein Leben kreierst. Deshalb kannst du durch positive und konstruktive Gedanken wie „Ich bin jetzt bereit, loszulassen“ Einfluss auf deine Gefühle nehmen und dafür sorgen, dass es dir gut geht.
4. Loslassen ist nicht gleich Aufgeben, Scheitern, Versagen oder Kapitulation, sondern eine an die Situation angepasste, bewusste Entscheidung für dich und deine Zukunft.
5. Hör auf, dich ständig mit der Vergangenheit zu beschäftigen und damit zu hadern. Lebe besser im Hier und Jetzt oder überlege, was es Positives für deine Zukunft bringt, wenn du X loslässt. Lasse hierbei nicht nur den Kopf, sondern auch den Bauch, deine Intuition, zu Wort kommen.
6. Akzeptiere, dass nicht alles so läuft, wie du es dir gewünscht hast. Es passieren Fehler, die Welt ist nicht immer gerecht, sei also gnädig und verzeihend ggü. dir und anderen.
7. Ist es vor allem die Angst vor Veränderung, die dich am Loslassen hindert? Dann beginne mit kleinen, mutigen Schritten diese zu überwinden. Je häufiger du das praktizierst und die positiven Effekte spürst, desto leichter wird es dir in Zukunft fallen.
8. Suche dir Unterstützung und spreche mit den richtigen Menschen. Damit sind nicht die im Boot des Selbstmitleids gemeint oder solche, die deine Entscheidung nur im Sinne ihrer eigenen Interessen beeinflussen wollen. Am besten neutrale Personen, die dir wohlgesonnen sind oder schon erfolgreich solche Loslass-Situationen gemeistert haben. Auch professionelle Unterstützung kann dir helfen, einen besonders schweren Belastungs-Sandsack loszuwerden.
9. Macht es mich glücklich? Wenn Kopf und Bauch diese Frage mit Nein beantworten, kannst du es getrost loslassen.
10.Wenn du eine Entscheidung getroffen und losgelassen hast, fühlt es sich im ersten Moment wahrscheinlich schmerzhaft, schlecht oder leer an. Geh den nächsten Schritt und durch diese Gefühle durch. Es lohnt sich für den Gewinn von Leichtigkeit, Freiheit und neuer Lebensqualität. Wenn es soweit ist, genieße den neu gewonnenen Frei- und Bewegungsspielraum und nimm die positive Energie gleich mit, um weitere Schritte zu unternehmen und andere belastende Dinge loszulassen. Go with the flow!
Meine Lieblingszitate zum Loslassen
Wir müssen bereit sein, uns von dem Leben zu lösen, das wir geplant haben, damit wir das Leben finden, das auf uns wartet. (Oscar Wilde)
Loslassen kostet weniger Kraft als Festhalten, und dennoch ist es schwerer. (Detlev Fleischhammel)
Wenn Du etwas loslässt, bist Du etwas glücklicher. Wenn Du viel loslässt, bist Du viel glücklicher. Wenn Du ganz loslässt, bist Du frei. (Ajahn Chah)
Was wir loslassen kann uns nicht mehr festhalten. (Ernst Ferstl)
Wenn du fliegen willst, musst du loslassen was dich runterzieht.
Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück. (Buddha)
Viele Grüße und nur Mut (zum Loslassen und für alles andere)!
Katrin
wunderbar geschrieben🙏🏻 DANKE💫