Automatisches Zeichnen – Automatic Drawing

WAS IST AUTOMATISCHES ZEICHNEN (AUTOMATIC DRAWING)?

Die Technik des automatischen Zeichnens wurde von den Surrealisten entwickelt, um Unbewusstes auszudrücken und zu enthüllen, was sonst versteckt unter der Oberfläche bleibt.

Gezeichnet wird möglichst frei von rationaler Kontrolle. Der Verstand darf sich einfach mal raushalten, während die Hand intuitive und zufällige Bewegungsspuren auf dem Papier hinterlässt. Es wird ohne äußere Einflüsse, frei von Regeln und Konventionen aus dem Inneren heraus gezeichnet. Klingt gut, oder? Wenn du intuitives Malen magst, wird dich auch das automatische Zeichnen begeistern.

André Masson, automatische Zeichnung

Ein Pionier des automatischen Zeichnens war André Masson, aber auch andere Künstler haben sich diese Technik zunutze gemacht, z. B. André Breton, Austin Osman Spare, Joan Miró und Salvador Dalí. Schau dir bei Interesse mal deren Bilder an, gerade die von Miró. Ich finde, dort kann man besonders gut erkennen, dass viele aus einer automatischen Zeichnung heraus entstanden sind.

Salvador Dalí, automatische Zeichnung

Joan Miró, La géante (Die Riesin), 1938

WIE GEHT AUTOMATISCHES ZEICHNEN?

Das, was auf den ersten Blick so simpel anmutet und ganz wunderbar nach großer Freiheit klingt, ist manchmal gar nicht so leicht umzusetzen, weil unser Alltag in der Regel ganz anders aussieht.

Wir denken bevor wir handeln, bewerten, wägen ab, treffen möglichst vernünftige, rationale Entscheidungen und versuchen dabei auch noch, uns regelkonform zu verhalten und niemandem auf den Schlips zu treten.

Vielleicht fragst du dich, wie man überhaupt den Kopf abschalten kann, oder hast Angst vor dem, was passieren und sich zeigen könnte, wenn du dich frei machst von jeglicher Kontrolle und Zensur.

Die Malerei ist ein ideales Spielfeld, um dieses Loslassen einfach mal auszuprobieren. Es sind letzten Endes nur Striche auf Papier für dich ganz allein. Also lass uns neugierig und mutig sein und einen Versuch wagen!

IDEEN UND ANLEITUNG ZUM AUTOMATISCHEN ZEICHNEN

Nimm dir ein Blatt Papier, dein Sketchbook oder einen Skizzenblock und ein paar Stifte deiner Wahl. Persönlich bevorzuge ich einen Graphitstift ohne Holzummantelung, um bei Bedarf auch die breite Seite zu nutzen, außerdem schwarze Marker oder Brushpens. Wähle das Papierformat nicht zu klein, um deine Zeichenbewegung nicht allzu stark zu begrenzen und einzuengen.

Zeichne zufällig über das Papier, ohne rational darüber nachzudenken, wie die Markierungen aussehen oder was sie darstellen könnten. Beobachte, wie der Stift Spuren hinterlässt, lass dich fallen und treiben im kreativen Flow. Sieh es als eine Art Meditation und entspanne dich dabei. Alles darf sein, nichts muss.

Wenn dir der Verstand anfangs stark dazwischen grätscht und es dir schwerfällt, die Kontrolle abzugeben und es einfach passieren zu lassen, greife den Stift locker weiter hinten. Du kannst auch immer wieder beim Zeichnen die Augen schließen, das erleichtert das Einfühlen. Hast du schon mal vor dich hin gekritzelt, während du auf etwas anderes konzentriert warst, etwa beim Telefonieren? Auch das ist eine gute Möglichkeit, um einen Einstieg in das automatische Zeichnen zu finden.

Spiele und experimentiere mit Markierungen aller Art (Punkte, Kreise, Striche, Kurven, Spiralen,…). Wenn dabei immer dieselben Formen aufs Papier fließen, ist das auch in Ordnung. Folge ohne bewusste Steuerung den aufkommenden Impulsen, so dass sich das Blatt fast wie von selbst füllt, womit auch immer.

Verfolge beim Zeichnen oder der Auswahl des Stifts keine konkreten Ziele. Es gibt keine Fehler. Jeder Strich eröffnet neue Möglichkeiten und Chancen.

Zeichne bis das ganze Blatt oder die ganze Seite gut gefüllt ist. Du kannst es zwischendurch auch drehen und die Perspektive wechseln.

Am Ende darf es bleiben wie es ist oder du kannst weiter damit spielen. Vielleicht magst du auf Entdeckungsreise gehen und dich von den zufälligen Markierungen inspirieren lassen. Auch wenn du nicht absichtlich etwas Gegenständliches gezeichnet hast, kann es sein, dass du in dem Linienchaos eine Repräsentation bzw. ein Abbild von irgendetwas entdeckst, was du sichtbar machen möchtest (wie ich im Bild unten). Bei einem Blick in die Wolken funktioniert das auch, bestimmt kennst du das. Unser Gehirn ist ziemlich gut darin, aus zufälligen Mustern und Strukturen etwas Bekanntes zusammenzubauen, so dass wir z. B. Gesichter, Tiere oder Gegenstände darin erkennen. Das Phänomen nennt sich Pareidolie und lässt sich wunderbar kreativ nutzen. In meinem Blogartikel zur Pareidolie und Apophänie in der Kunst findest du mehr dazu.

Das automatische Zeichnen ist gut als Einstimmung auf eine Malsession geeignet, sozusagen als Warm Up zum Lockerwerden, oder als Ausgangsbasis für ein Bild. Wenn du es häufig tust und dir die entstehenden Zeichnungen betrachtest, wirst du wahrscheinlich bald häufig wiederkehrende Zeichen und Linienführungen entdecken, die Ausdruck deiner persönlichen Realität und Geisteszustände sind.

Unmittelbar nach dem Aufwachen aus einem Traum ist übrigens auch ein guter Zeitpunkt für eine automatisierte Zeichnung, deshalb lohnt es sich, Block und Stift stets griffbereit neben dem Bett liegen zu haben.

Viele Spaß beim Ausprobieren und nur Mut! 

Katrin

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