Mein erster Marathon

Den hatte ich mir zwar etwas anders vorgestellt, aber hey, gestern bin ich die magischen 42,195 km gelaufen, getreu meinem Motto „Tu was du kannst, mit dem, was du hast, dort, wo du bist.“

 

Eigentlich war der Plan, meinen ersten Marathon am 19.04.2020 in Hamburg zu laufen. Eine schöne Stadt, jubelnde Zuschauer an der Strecke, Medaille und Finisherbier im Ziel und danach ein paar Tage Kurzurlaub am Meer zur Belohnung und Erholung. Klingt gut, oder? Dank Corona wurde diese Veranstaltung aber wie viele andere abgesagt. Shit. Die Enttäuschung war natürlich groß, Traurigkeit und Wut gaben sich die Klinke in die Hand, aber ich wollte das Beste daraus machen, also wurde weiter trainiert. Mir war klar, dass ich nach den vielen Trainingswochen das Ganze irgendwie durchziehen werde, aber keine Ahnung wann, wo, wie.

 

Gestern war Sonntag und sunday is runday, Zeit für den Longrun. Auf dem Plan standen 30 km, es war sonnig und kalt. Nachdem ausreichend Zeit nach dem Frühstück verstrichen war, ging es mit dem Auto in ein nahe gelegenes Waldstück. Dort gibt es eine gut 5 km lange Runde. Mit dem Auto als Verpflegungsstelle - es gab Banane, Trockenpflaumen, Gels und natürlich Wasser – bin ich einfach los gelaufen und dachte, wenn ich es schaffe, laufe ich heute den Marathon, das bedeutet 8 Runden plus ein kleines Stück. Die Bedingungen sind nicht perfekt (aber wann ist schon irgendwas perfekt?), Schotterwege mit ein paar Höhenmetern, im Training eigentlich noch nicht soweit, kein Tapering vorher, alleine im Wald ohne die Motivation anfeuernder Zuschauer. Immer im Kreis bzw. Carré und immer wieder vorbei am einladenden Auto, das mich alle 5 km nach Hause bringen könnte. Wenn du selbst läufst, kannst du die besondere Herausforderung bestimmt nachvollziehen.

 

Die ersten drei Runden liefen gut. Ich bin keiner Menschenseele begegnet, habe die Stille des morgendlichen Waldes genossen und geschaut, was da so am Wegesrand wächst. Habe den Geräuschen gelauscht und frische Waldluft geschnuppert. Achtsames Laufen könnte man sagen. Nach 15 km hätte ich aufhören können, dann wäre es einfach ein schöner, entspannter Sonntagslauf geworden, aber ich hatte ja noch etwas vor, also weiter. Inzwischen waren ein paar Spaziergänger unterwegs, aber bei Begegnungen ist jeder brav an seinen Wegesrand gegangen, Stichwort social distancing.

 

Immer, wenn ich am Auto vorbei kam, habe ich ein paar Schlucke Wasser getrunken und eine Kleinigkeit zu mir genommen. Nach 20 km kamen immer häufiger Gedanken auf, dass es doch eigentlich reicht und so langsam anstrengend wird, deshalb habe ich mir da die Kopfhörer aufgesetzt und ein bisschen Podcasts und Hörbuch gehört. Die Ablenkungen am Wegesrand, den ich mir in den letzten Runden bereits immer wieder angeschaut hatte und so langsam auswendig kannte, haben nicht mehr gereicht. Bei km 25 wurden die Beine doch deutlich schwerer und die Leistung ist spürbar eingebrochen. Mehr Kraftaufwand und Energie in jeden Schritt gesteckt und trotzdem bin ich langsamer geworden. Außerdem haben Hüfte und Knie gezwickt und der linke Fuß meldete zwei Blasen, daher habe ich am Auto schnell Schuhe und Socken gewechselt und immer wieder kurze Gehpausen eingestreut. Die innere Stimme („ich kann nicht mehr“, „das wird nichts, also kann ich auch gleich aufhören“, „die 30 km vom Plan hast du ja schon, das reicht doch“) meldete sich immer häufiger, aber sagen wir, ich bin nicht mit ihr in den Dialog getreten und einfach langsam weitergelaufen. Es fühlte sich schwer an, es zwickte aber es geht schon, dachte ich, einfach weitermachen, Schritt für Schritt, und wenn es sein muss, wird zügig gegangen. So bei 38 km sind die Walkingphasen länger als die Laufphasen, aber egal. Ich wusste jetzt, dass ich an meinem Ziel ankommen werde, egal, ob laufend, gehend oder notfalls auf allen Vieren. Letzteres war dann zum Glück doch nicht nötig, aber laufen ging höchstens noch immer wieder ein paar Schritte, dann zwickte es doch ordentlich und ich bin so flott wie möglich gegangen. Ein Zeitziel hatte ich ohnehin nicht und in dem Stadium geht es sowieso nur noch darum, endlich anzukommen.

 

Bäm, da waren die 42,2 km auf der Uhr, endlich! Erleichterung und Stolz fluteten Körper und Geist. Als ich wieder im Auto saß und auf dem Heimweg war, gesellten sich noch innerer Frieden und ein Gefühl von Freiheit dazu. Es ist geschafft, Ziel erreicht, Projekt erfolgreich, abgeschlossen, kein Trainingsplan mehr, der die Läufe und damit Teile meines Alltags bestimmt. Endlich wieder spontan und nach Lust und Laune laufen, egal wie schnell oder wie lange. Aber jetzt erstmal gar nicht ans Laufen denken, lieber ans Essen, das daheim schon von meinem Schatz gekocht auf mich wartet, eine heiße Badewanne, die Couch, Muffins, Kekse und Schokolade, solche Sachen.

 

 

Ich habe getan was ich konnte, mit dem, was ich hatte, dort, wo ich war.

 

 

Katrin

 

 

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