Die Kunst des Ungeplanten: Zufallstechniken gegen Perfektionismus und für kreative Freiheit

Zufallstechniken verleihen deiner Kreativität Flügel

Beim Malen möchte ich vor allem Spaß und eine gute Zeit haben. Dass ich nebenbei viel über mich lerne und neue Erkenntnisse gewinne, ist ein positiver und wertvoller Nebeneffekt.

Die Freude am Tun tritt oft in den Hintergrund, wenn wir von Anfang an eine zu genaue Vorstellung haben wie das Ergebnis aussehen soll, denn die meisten von uns sind keine Profimaler, die sämtliche Techniken meisterhaft beherrschen. Oft löst ein nicht erwartungsgemäßes, unperfektes Ergebnis negative Gefühle von Versagen, Frustration oder Enttäuschung aus und um das zu vermeiden, malen wir immer weniger oder gar nicht mehr. „Ich kann es einfach nicht. Ich habe kein Talent. Malen ist blöd, macht keinen Spaß, ist nichts für mich.“

Vielleicht hattest du solche Gedanken auch schon. Ich versuche, beim Malen möglichst offen an die Sache heranzugehen. Mit dieser Herangehensweise habe ich wieder Zugang zu meiner Kreativität bekommen und mir den Spaß am Malen zurückgeholt.

Um den inneren Kritiker erst gar nicht zu Wort kommen zu lassen und damit kein Erwartungsdruck aufkommt, sind sog. aleatorische Verfahren ideal, denn bei den Zufallstechniken ist von Vornherein klar, dass sich damit keine exakte Bildidee umsetzen lässt. Verlauf und Ergebnis sind nicht genau planbar und Ideen entstehen spontan, während wir Prozesse anstoßen und Dinge passieren lassen, vorausgesetzt, wir lassen uns auf den Zufall ein, vertrauen, geben Kontrolle ab. Um die positiven Effekte des Zufalls nutzen zu können, bedarf es Kreativität, Spontanität, Offenheit und Mut. Mut, sich dem Zufallsprozess anzuvertrauen. Mut, ergebnisoffen zu sein und ein „hässliches“ Bild zu riskieren. Mut, dass Dinge sichtbar werden, vor denen wir gerne die Augen verschließen.

Das Zufallsprinzip ist nicht neu und wurde schon vor langer Zeit immer wieder von verschiedenen Künstlern in ihre Arbeiten mit einbezogen. Bereits in der Antike soll der Maler Protogenes zunächst an der Darstellung eines Hundes mit Schaum vor dem Maul mittels Pinsel gescheitert sein. Aus Wut über sein Versagen warf er einen Schwamm von sich, der auf dem Bild Schaum hinterlassen hat, den er besser nicht hätte malen können. Auch Leonardo da Vinci, Max Ernst, Jackson Pollock und Niki de Saint Phalle haben den Zufall als Gestaltungsmittel und bildgebendes Element genutzt und in ihre Arbeiten mit einfließen lassen. Max Ernst hat auch den Begriff „befreiende Verfahren“ verwendet, weil es sich genau genommen nicht um reine Zufälle handelt, sondern der Künstler bei den Zufallstechniken Einfluss nimmt (z. B. durch die Auswahl der Farben oder Methoden) und seine eigene Handschrift und Persönlichkeit mit einbringt. Dies geschieht aber möglichst frei von Vernunft, Verstand und übermäßig langem Nachdenken über das Tun.

Warum Zufallstechniken für mich die besten Verbündeten beim Malen sind

Mit den Zufallstechniken kannst du:

–          kreative Blockaden überwinden

–          deinen inneren Kritiker zum Schweigen bringen

–          Loslassen und Vertrauen üben

–          Angst vor dem Anfang oder der weißen Leinwand überwinden

–          Spaß, Treibenlassen und Flowgefühl erleben

–          persönliche Themen sichtbar machen

–          Wahrnehmung und Achtsamkeit schulen

–          neue Ideen generieren

–          mehr Entspannung und Freude in dein Leben holen

–          wieder Zugang zu deiner kreativen Quelle bekommen

In meinem anderen Blogartikel “Warum ich das Malen mit Zufallstechniken liebe” erfährst du noch mehr darüber, warum mir diese Art des Malens so am Herzen liegt.

Beispiele für Zufallstechniken zur Inspiration und zum Ausprobieren

Decalcomanie

Hierbei handelt es sich um eine Art Abklatschverfahren. Man bestreicht einen glatten Untergrund (Blatt Papier, Glasplatte, o. ä.) mit flüssiger Farbe und legt einen Papierbogen darauf. Bevor dir Farbe trocknet, bearbeitet man das Blatt Papier mit der Hand oder einem Gegenstand, in dem man es drückt, verschiebt, reibt, darüber kratzt oder wischt. Dann wird es mit einem Ruck nach oben von der Unterlage abgezogen. Der Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden. So entstehen fantasievolle Gestalten, Landschaften, Farbverläufe und Marmorierungen.

Frottage

Frottage leitet sich vom französischen Wort frotter (= reiben) ab. Ein Blatt Papier wird über einen Gegenstand oder eine strukturierte Oberfläche gelegt. Dann reibt man mit einem weichen Bleistift, Kreide, Kohle oder Wachsstift vorsichtig über das Papier, so dass sich das Oberflächenrelief des Gegenstandes (z. B. Holzbrett, Münze, verzierte Steinplatte)  auf das Papier überträgt.

Pustebilder

Tusche oder eine andere flüssige Farbe wird mit einem Föhn oder Strohhalm auseinander gepustet. Man kann die Farbe auch durch Neigung des Malgrundes verlaufen lassen.

Spritzbilder

Die nasse Farbe wird z. B. mit Zahnbürste und Sieb oder einem nassen Pinsel aufgespritzt. Man kann dabei bestimmte Bildbereiche abdecken mit Blättern, Schablonen, Kreppband oder Papierstücken, um Flächen und Formen entstehen zu lassen, die ggf. später ausgearbeitet werden können. Alternativ kann man auch wasserlösliche Farbe aufbringen, mit einer Sprühflasche Wasser aufsprühen und so tolle Farbverläufe entstehen lassen.

Murmelbilder

Diese Variante ist schon für kleine Kinder gut machbar und fördert Kreativität, Experimentierfreude und Vertrauen in die eigenen schöpferischen Fähigkeiten. Einfach den Boden eines Schuhkartons mit einem Blatt Papier auslegen, dicke Farbkleckse mit flüssiger Farbe aufbringen, ein paar Murmeln unterschiedlicher Größe in die Kiste legen und durch Schütteln hin und her bewegen, so dass die Murmeln durch die Farbe rollen und Spuren hinterlassen.

Materialdruck

Hier wird die Farbe mit verschiedenen Gegenständen wie Schwämme, zerknülltes Zeitungspapier, Luftpolsterfolie oder auch den eigenen Händen auf den Malgrund aufgetragen.

Falz- oder Faltdruck

Ein Papier mit einem noch nassen Farb-, Tusche- oder Tintenklecks wird zusammengefaltet und gepresst. Es entstehen wundersame, symmetrische Zufallsbilder und es lassen sich interessante Formen entdecken und bei Bedarf weiter ausarbeiten.

Zufallscollage

Zerschneide oder zerreiße ein Bild oder farbiges Papier. Lasse die Schnipsel auf den Bildträger fallen und den Zufall die Neuanordnung übernehmen. Die bunten Papierschnipsel werden einfach mit Kleber oder Kleister dort fixiert, wo sie gelandet sind.

Schnurgrafik

Man nehme eine mit Farbe getränkte und eingefärbte Schnur und lege sie auf ein Blatt Papier. Dieses wird gefaltet, zusammengedrückt oder mit einem Buch beschwert und die Schnur am Bildrand herausgezogen. Das lässt sich mehrfach wiederholen, so dass sich spannende Strukturen ergeben, besonders, wenn man die Schnur geschwungen in Spiralen und Schleifen auf das Blatt legt.

Seifenblasenbilder

Du kannst eine fertige Seifenblasenmischung kaufen oder selbst anrühren (vom Verhältnis etwa 2 EL Spülmittel auf 100 ml Wasser) und mit wasserlöslicher Farbe (z. B. Acrylfarbe) mischen. Die farbige Flüssigkeit in flache Schalen füllen und mit einem Strohhalm sanft Luft in die Mischung pusten, so dass ein Schaum entsteht. Wenn ausreichend Seifenschaum vorhanden ist, einfach ein Blatt Papier drauf legen und wieder abnehmen. Alternativ kann man auch Seifenblasen direkt auf das Papier pusten, so dass sie dort platzen und ihre Farbspuren hinterlassen.

Marmoriertechnik mit Rasierschaum

Rasierschaum in eine flache Schale füllen, flüssige Farbpigmente auftropfen, einen Holzspieß kreuz und quer durch den Schaum ziehen und so die Farbe verteilen. Dann wird das Blatt Papier auf die Schaumfläche gelegt, leicht angedrückt und wieder abgezogen. Den Schaum, der noch am Papier haftet, z. B. mit einem Geodreieck weg schieben und das Ganze trocknen lassen. Hierbei entstehen wunderschöne Marmorierungen.

Fumage 

Bei der Fumage-Technik (Räuchern) wird die Rußspur des Rauchs von einer Kerze oder einer Öllampe auf Papier oder Leinwand festgehalten.

Grattage

Bei der Grattage (vom französischen gratter = abkratzen) werden mehrere Malschichten übereinander aufgetragen und anschließend mit einer Klinge zum Teil wieder weggekratzt bzw. abgeschabt, so dass spannende Farbeffekte und Formen entstehen. Man kann auch einen Gegenstand mit reliefartiger Oberfläche (z. B. Münze, Gitter) unter den Malgrundlegen und drüberschaben, damit das Muster sichtbar wird. Mit Wachsmalstiften funktioniert das gut, vielleicht kennst du das noch aus deiner Kindheit.

Folientechnik

Nasse Farbe auf den Malgrund auftragen und solange die Farbe noch nass ist Folie darüberlegen und etwas andrücken. Ein paar Minuten antrocknen lassen, dann die Folie abziehen. Die Falten der Folie hinterlassen interessante Strukturen.

Tropftechnik

Durch Auftropfen von Wasser oder Alkohol in die feuchte Farbe lassen sich auch tolle Effekte erzielen. Die Wassertropfen werden einfach mit einem Küchentuch vorsichtig wieder abgetupft, dabei wird auch die Farbe mit aufgesaugt, so dass weiße Flächen zurückbleiben. Ähnliche Effekte entstehen auch, wenn du Salz in die feuchte Farbe streust. Dieses nimmt die Feuchtigkeit inkl. Farbe auf und hinterlässt weiße Stellen. Wenn Alkohol (Ethanol, Spiritus) auf eine feuchte Farbfläche aufgetropft wird, verdrängt der Alkohol die Farbe und es entstehen tolle Formen.

Krümpelbilder

Zerknäule locker ein Blatt Papier und lass flüssige Farbe in die Falten laufen. Dann entweder auseinander falten, neu zerkrümpeln und mit anderen Farben wiederholen oder erstmal trocknen lassen und beim Auseinanderfalten überraschen lassen, was entstanden ist. Ich finde es witzig, mit mehreren kleinen Notizzetteln zu arbeiten und dann mehrere dieser kleinen Krümpelbilder zu einer Collage zusammenzustellen.


Natürlich lassen sich verschiedene Techniken herrlich miteinander kombinieren. Die Mutmalerei ist eine riesengroße Spielwiese, auf der wir uns nach Herzenslust austoben können. Die entstandenen Bildgefüge lassen sich dann noch nach Lust und Laune assoziativ deuten und weiter ausarbeiten, das ist aber kein Muss.

Wenn man ganz genau weiß, was man machen will, wozu soll man es dann überhaupt noch machen? Da man es ja bereits weiß, ist es ganz ohne Interesse. (Pablo Picasso)

Vielleicht möchtest du es auch mal versuchen und dich der Macht des Zufalls hingeben? Nur Mut!

Wenn du nicht nur jede Menge Zufallstechniken lernen möchtest, sondern auch persönlich mit und durch deine Kunst wachsen willst, lege ich dir meinen Online-Kurs “Glückliche Zufälle” ans Herz. Hier findest du alle Infos zum Kurs (einfach auf den Textlink klicken).

Ich freue mich auf dich!

KATRIN

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